Literatur findet Stadt: Lesung mit Petra Morsbach
Am 19.April 2018 habe ich Petra Morsbach mit ihrem Roman „Justizpalast“ in der Reihe Literatur findet Stadt nach Regensburg eingeladen.
Lesen Sie den Bericht der MZ und meine Begrüßung:
Zeitungsartikel der Mittelbayerischen Zeitung als PDF zum Download
Begrüßung von Petra Morsbach durch Prof. Dr. Erich Garhammer als PDF zum Download
Dreieinigkeitskirche Regensburg 19. April 2018
Meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich in der Dreieinigkeitskirche. Die Reihe „Literatur findet Stadt“, die ich
zusammen mit dem Evangelischen Bildungswerk und der Staatlichen Bibliothek veranstalte und
zugleich wissenschaftlich begleite, findet heute zum sechsten Mal statt.
Bisher waren zu Gast:
Hanns-Josef Ortheil- Navid Kermani- Sibylle Lewitscharoff- Arno Geiger und Reiner Kunze.
Heute Abend gilt mein Gruß Petra Morsbach: herzlich willkommen in Regensburg.
Ein paar Sätze zu Ihrer Biographie:
Petra Morsbach ist am 1. Juni 1956 in Zürich geboren, im Münchner Umland aufgewachsen, hat
Theaterwissenschaften, Psychologie und Slawistik mit Schwerpunkt Russische Literatur an der Ludwig
Maximilians Universität in München studiert. 1981/82 folgte ein Gaststudium an der
Theaterakademie in Leningrad, 1983 die Promotion über Isaak Babel in München.
Von 1983 bis 1992 war sie Regieassistentin, danach Dramaturgin und schließlich freie Regisseurin
1995 erschien ihr Debütroman „Plötzlich ist es Abend“ im Eichbornverlag. 1998 ihr „Opernroman“,
2001 „Die Geschichte mit Pferden“, 2004 der Roman „Gottesdiener“, 2008 der Roman „Der
Cembalospieler“ und 2013 „Dichterliebe“.
Frau Morsbach hat viele Preise für ihr literarisches Werk erhalten u.a. den Marie-Luise- Fleißer-Preis,
den Jean-Paul- Preis und den Literaturpreis der Konrad- Adenauer-Stiftung in Weimar.
Bei ihrer Dankrede in Weimar hat sie sich bei ihren Helden bedankt: „Ich habe als Autorin meine
Stoffe weniger beherrscht als ihnen gedient. Die Menschen, die mich an ihren Gedanken und
Erlebnissen teilhaben ließen – die Theaterarbeiter für den „Opernroman“, die Kirchenleute für
„Gottesdiener“ – man könnte hinzufügen: die Juristen für den Justizpalast- haben mir ihre Schicksale,
ihre Konflikte, ihre Freude, ihr Leid sozusagen zur Deutung anvertraut mit einer Großzügigkeit, die
mir bisweilen die Sprache verschlug. Jeder von ihnen hat mir gewissermaßen ein Stück Welt
geschenkt.“
Bei der Dankesrede für diesen Preis formulierte sie weiter: „Eines Tages glaubte ich zu wissen, wie
der Roman zu schreiben sei, den ich seit langem schon schreiben wollte. Das war während eines
Spaziergangs an einem frischen Morgen, ich erinnere mich an die Konturen der Wolken und eine
bereifte Wiese. Auf einmal hatte ich den Tonfall. Sätze um Sätze strömten mir durchs Hirn, und ich
ging nach Hause und schrieb sie auf. Damals war ich freie Regisseurin, ich verbrachte Wochen und
Monate in fremden Städten, an kleinen und mittleren Theatern. In der Zeit zwischen den Proben und
Inszenierungen schrieb ich am Roman. Die Theaterarbeit war bunt und aufregend – ich schlug mich
mit Stück, Mitarbeitern und Intrigen herum, arbeitete hart und verdiente wenig. Die Schreibarbeit
dagegen war weder bunt, noch aufregend, es gab weder Mitarbeiter, ich arbeitete bis zur
Erschöpfung und verdiente nichts.“
Petra Morsbach tauschte also eine Arbeit mit den Menschen mit dem Schreiben über Menschen, mit
der Einsamkeit am Schreibtisch und einem ganz geringen Einkommen.
Warum macht man so etwas, so fragt sie sich: „Es macht einen heiter und unbeirrbar und verleiht
enorme Durchschlagskraft. Freilich andere Leute kommen wegen sowas in die Psychiatrie.“ Ihr sei
das erspart geblieben.
Und sie bedankte sich bei ihren Eltern: Ihre Mutter war Ärztin, der Vater Ingenieur. Von ihm habe sie
das Misstrauen gegen Autoritäten und Konventionen geerbt- auch spürbar im Justizpalast, von der
Mutter die künstlerischen Maximen der Wahrhaftigkeit, Sinnlichkeit und Substanz. Immer freilich
nagt in Petra Morsbach der Zweifel, der Zweifel auch an ihrem Können. Subjektive Gewissheit helfe
da zwar weiter, aber nicht weit genug. Es könnte ja auch Verblendung sein oder
Selbstüberschätzung.
Die Resonanz der Leserinnen und Leser oder auch der Zuhörer bei Lesungen wie heute Abend, ist
nicht unwichtig, aber sie ist auch keine Garantie und immer auch ungewiss. Sie erwärmt für den
Augenblick, aber das nächste Schreibabenteuer, das für Petra Morsbach immer auch eine
Wahrheitsexpedition ist, wartet schon.
Das Schreiben als Wahrheitsexpedition ist in meinen Augen das treffendste Kennzeichen für die
Literatur von Petra Morsbach.
Ein Künstler kann nicht bluffen. Wer keine Beziehung zur Natur hat, kann über Natur nicht
angemessen schreiben. Wer seine Helden idealisiert, muss lügen, weil er sie verzeichnet. Ideologie
entwertet jedes literarische Werk.
2017 erhält Petra Morsbach den Roswitha-Literaturpreis der Stadt Bad Gandersheim und den
Wilhelm-Raabe- Preis der Stadt Braunschweig für ihren neuen Roman „Justizpalast“.
Für die Arbeit an „Justizpalast“ recherchierte die Autorin über neun Jahre.
Thirza Zorniger, die Protagonistin, stammt aus einer desaströsen Schauspielerehe und will für
Gerechtigkeit sorgen. Sie wird Richterin im Münchner Justizpalast, doch auch hier ist die Wirklichkeit
anders als die Theorie.
„Justizpalast“ ist ein Roman über die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, über erregte, zynische,
unverschämte, verblendete, verrückte, verwirrte und verzweifelte Rechtssuchende – Justizpalast ist
also auch ein Gesellschaftsroman, wie tickt eine Gesellschaft aus Streithanseln- nicht nur ein Roman
über einen Berufsstand- und er handelt über überlastete, mehr oder weniger skrupulöse, kauzige,
weise, verknöcherte und leidenschaftliche Richter.
Liebe Frau Morsbach,
Sie haben der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben zum Erlanger Poetenfest, also im August
2017, als der Roman noch gar nicht erschienen war. Darin sagten Sie: alle meine Romane sind
kommerziell gefloppt. Also muss ich damit rechnen, dass es auch diesmal so sein wird. Es fühlt sich
an, als würdest du erwürgt.
Meine Damen und Herren,
wir erleben heute ein halbes Jahr später keine erwürgte, sondern eine heitere, eine glückliche Petra
Morsbach. Der Roman hat ihr das geschenkt, was sie ihm als Motto vorangestellt hat: „Tu das, was
dich würdig macht, glücklich zu sein“. (Immanuel Kant) Schön, dass Sie da sind und aus Ihrem Roman
„Justizpalast“ lesen.
Nach der Lesung will ich im Gespräch noch etwas nachfragen, aber keine Angst: die Veranstaltung
geht nicht bis Mitternacht, sondern sie dauert – wie ich zu sagen pflege – eine gute Stunde.
Danach wird Petra Morsbach Ihre Bücher signieren, die Buchhandlung Pustet, Frau Borst und ihre
Mitarbeiter, haben für Sie einen Büchertisch vorbereitet.
Nun aber freuen wir uns auf Ihre Lesung, Frau Morsbach.
Herzlich willkommen in Regensburg, herzlich willkommen in der Dreieinigkeitskirche.